Bye-bye Höhenangst

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26.11.2020 • veraalpina

Bye-bye Höhenangst

Regelmässige Blog-Leserinnen und -Leser kennen bereits mein Verhältnis zur Höhenangst. Mal ist sie da, mal nicht. Was aber sicher ist: Fast 15 Jahre lang lungerte die Höhenangst irgendwo in meinem Hinterstübchen herum. Gratwanderungen gehen eigentlich ganz gut, Gipfelwanderungen nicht. Hängebrücken: Iiih! Aussichtstürme: nein danke. Apéro auf dem Hochhausdach? Nur in der Mitte.

Bereits einige Male habe ich versucht, die Höhenangst zu überlisten, sie zu ignorieren, mich ihr zu stellen. Alles mit mässigem Erfolg. Angst kann man sich halt nicht einfach wegdenken. Oder doch?

Angstforschung am eigenen Leibe

Dem wollte ich auf die Spur. Von Wanderpapa Rémy, der in seinem anderen Leben Redaktionsleiter des Magazins WANDERN.CH ist, schnappte ich mir den Auftrag, einen Artikel zum Thema Höhenangst zu schreiben, natürlich mit Selbstversuch. Wisst ihr, man muss sich seinen Ängsten stellen, weil das Leben angstfrei einfach besser ist.

Zur Recherche: Nach ein paar Gesprächen mit einer Psychologin zum Thema Angst und einem Mentalcoach zum Thema Menschen mit Angst tat sich mir die Möglichkeit auf, mit einer Coachin an meiner eigenen Höhenangst zu arbeiten. Also traf ich mich eines schönen, aber sehr stürmischen Tages mit Beatrice Jaccard bei der Hängebrücke Sattel-Hochstuckli. Dunt-dunt-duuunt… Etwas nervös war ich schon, gehört die Hängebrücke zu einem meiner verhasstesten Bauwerke (nebst Hallenbädern und Hochhäusern aus den 1960ern), weil sie einfach so verdammt hoch sind, wippen und schaukeln, sich bewegen und man teilweise auch noch durch den Gitterrost am Boden in die Tiefe sehen kann. Es gibt tatsächlich keine Hängebrücke, über die ich nicht komplett angespannt, aber mit butterweichen Knien, mich am Geländer festklammernd und so schnell wie möglich gehuscht bin. Stehen bleiben gab es nicht, genausowenig, wie links oder rechts oder nach unten zu schauen.

So verschwand die Angst

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Die Brücke stets im Blick beim Ausüben der Asanas. Bild: Raja Läubli

Angst hat mit der eigenen Persönlichkeit, Lebenserfahrung, versteckten oder offenen Traumata zu tun. Sie ist etwas sehr Individuelles. Als Mensch bin ich ein Luftibus. Deswegen bekam ich von der Coachin als erstes eine Erdung verpasst, sollte gut den Boden und dessen erdende Energie unter meinen Füssen spüren. Die böse Hängebrücke immer im Blick, stand ich also auf der Wiese, bis meine Beine schwer wie Blei wurden und ich mich kaum noch bewegen konnte. Weiter erklärte sie mir einige Asanas (= ruhende Körperstellungen, wie man sie z.B. aus dem Yoga kennt), mit denen ich Energie fliessen lassen konnte. Die Methode von Beatrice ist das Energie-Management, mit dem sie ihre Schützlinge unterstützt. Sie „nimmt“ die Angst-Energie einer Person auf und neutralisiert diese. Wenn du jetzt denkst: „OK…?“, dann geht es dir genau gleich wie mir damals auf dem Sattel.

Ich bin keine Energie-Expertin und könnte die genauen Mechanismen in Theorie nicht erklären, den Unterschied zwischen vorher und nachher konnte ich aber fühlen.

Wagnis über Brücken zu gehen

Nun also die Probe aufs Exempel: der mehrmalige Gang über die Hängebrücke. Hinüber und dann zurück. Wieder auf die andere Seite und nochmals zurück. Das war der Plan. Bevor ich den ersten Fuss auf den Gitterrost setzte, nochmals eine kurze Übung zur Erdung und let’s go. Schritt für Schritt ging ich über diese Hängebrücke und zwar ziemlich beschwingt für meine Verhältnisse. Stell dir das mal vor: Beim dritten Hin und Her konnte ich sogar in der Mitte stehen bleiben, mich an das Geländer lehnen und mich sogar hinsetzen. Ich. Hinsetzen. Auf einer Hängebrücke. Whaaat?? Ich war ziemlich überrascht.

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Nun ist das easy-peasy-lemon-squeezy. Bild: Raja Läubli

Wer jetzt erwartet, dass ich ein euphorisches Feuerwerk gezündet und vor Freude geweint habe, den muss ich enttäuschen. Ich habe gelacht. Gelacht, weil ich einfach so, mir nichts dir nichts, über eine Hängebrücke gehen konnte, als ob ich auf dem sicheren Boden ginge, und sogar noch die Aussicht genoss. Ohne Angst, ohne weiche Knie.

Der Tag danach

Am nächsten Tag ging ich nochmals mit Fotografin Raja zurück an den Ort, um das Ganze auch noch fürs Magazin (und diesen Blogbeitrag, he he) festzuhalten. Zuerst besuchten wir aber noch einen Aussichtsturm. Ich wollte wissen, ob ich jetzt auch angstfrei auf einen solchen steigen konnte. Ja, ich konnte es und genoss die Aussicht.

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Ja, das geht jetzt auch ohne festhalten. Bild: Raja Läubli

Ich muss sagen, diese neu gewonnene Freiheit, über jede Hängebrücke gehen zu können, auf jeden Turm steigen zu können, fühlt sich sehr gut an.

Ob das so bleibt? Ob die Angstfreiheit wieder abklingt und den jahrealten Mustern weicht? Ihr werdet es als erste in diesem Blog erfahren.

Vera Alpina

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