Der oder dem Einzelnen mag das eigene Geschäft unbedenklich erscheinen, aber es ist die Menge, die es macht. «Die Zahl der Menschen, die in den Bergen Erholung suchen, hat sich bei uns in den letzten Jahren massiv erhöht», sagt Tommy Dätwyler. Er ist seit vielen Jahren regelmässig als Teilzeit-Hüttenwart in der Vermigelhütte SAC im Urner Unteralptal oberhalb von Andermatt tätig, und sieht, was dieser Anstieg für Folgen hat. Während der Saison, sagt er, könnten die ausgebuchten Hütten den Ansturm kaum mehr bewältigen, deshalb würden immer mehr Menschen draussen campieren und dort ihre Spuren hinterlassen. Ein kaum zitiertes, aber deshalb nicht weniger wahres Outdoorgesetz lautet nämlich: Wer viel draussen ist, muss auch viel draussen. Das ist an sich nichts Anstössiges – ausser man lässt danach alles liegen, dann wird es zum Problem.
Vergifteter Menschenkot
Lucie Wiget vom Schweizer Alpen-Club SAC erklärt, warum: «Menschlicher Kot und Urin enthalten oft Rückstände von Medikamenten, Drogen und Krankheitserregern. Das alles geht in den Boden, gelangt ins Wasser, wird von Wildtieren aufgenommen und schädigt somit die Natur, die in den Bergen besonders empfindlich ist.»
Zudem bräuchten benutztes WC-Papier und Papiertaschentücher in den Bergen bis zu zehn Jahre, um sich völlig zu zersetzen, erklärt die Umweltbiologin und ergänzt: «Im Eis oberhalb der Schneegrenze können Kot und Papier sogar ewig liegen bleiben.» Im mittelländischen Wald ist das Zersetzungstempo aufgrund der Witterungsbedingungen besser, aber auch hier dauert es über ein Jahr, bis sich liegen gelassenes Papier aufgelöst hat. Rund um einen beliebten Picknickplatz kann einem das die Freude an der Natur und den Appetit schnell verderben.
Provokativ und humorvoll
In aller Regel hinterlässt niemand böswillig seine Spuren, sondern aus Unachtsamkeit und Unwissenheit. Der Dachverband Schweizer Wanderwege hat deshalb zusammen mit dem SAC im Sommer 2024 die Kampagne «#Scheissmoment» lanciert. «Der gewählte Titel ist durchaus provokativ», sagt Kampagnenleiterin Vera In-Albon, «aber dafür wird er wahrgenommen.» Die vielen Reaktionen, die die Schweizer Wanderwege bisher zur Kampagne erhalten hätten, seien durchweg positiv gewesen. Dies nicht zuletzt deshalb, weil man sich bewusst dazu entschieden habe, das heikle Thema nicht belehrend, sondern mit Witz anzugehen. So finden sich auf scheissmoment.ch neben praktischen Tipps für das Geschäft in der Natur auch unterhaltsame Kurzvideos, die das Problem mit einer gesunden Portion Humor aufgreifen.
Abfallbeutel mitnehmen
Apropos Humor: «Ein Blick zurück, ein Griff zum Besen, niemand soll deine Spuren lesen», ist manchmal als lustige Erinnerungshilfe in öffentlichen WCs zu lesen. Für Outdoorgeschäfte könnte der Spruch neu so lauten: «Ein Blick voraus, ein Griff zur Schaufel – niemand soll in deinen Haufen laufen.» Aus diesem Grund bieten die Schweizer Wanderwege im Onlineshop neu eine kleine und weniger als 100 Gramm wiegende Klappschaufel an, die in jedem Rucksack Platz findet. Mit ihrer Hilfe lässt sich im Boden ein Loch für das grosse Geschäft graben und anschliessend wieder zudecken.
Bleibt noch die Frage zum Papier. In Camping- und Outdoorshops gibt es chlorfreies Toilettenpapier auf der Basis von Bambus zu kaufen, das sich schneller zersetzt als herkömmliches WC-Papier und schadstofffrei ist. Weit umweltfreundlicher aber, als dieses zusammen mit dem Haufen zu vergraben, ist, es zur Entsorgung in einem gut verschliessbaren Beutel wieder mit nach Hause zu nehmen.
Von den Hüttenwarten weniger geschätzt wird es, wenn der Beutel in einer Berghütte in den Abfall geworfen wird. Denn deren Müllentsorgung ist eine teure und energieintensive Angelegenheit, da der Abfall ins Tal transportiert werden muss. Am besten ist es, in die Wanderung einen Kaffeehalt in einer Hütte einzuplanen und dort auf die Toilette zu gehen. So viel dürfte einem eine saubere Bergwelt doch wert sein.
Mit diesen einfachen Regeln nehmen Sie Rücksicht auf die Natur und beweisen Anstand:
- Nutzen Sie bei Outdooraktivitäten wo immer möglich vorhandene Toiletten in Restaurants und Hütten oder bei Bergbahnen.
- Wenn Sie trotzdem draussen müssen, entfernen Sie sich vom Weg und suchen einen sicheren Ort ohne Absturzrisiko. Halten Sie zu Gewässern einen Abstand von mindestens 50 Metern.
- Graben Sie mit einem Stock, einem Stein oder einer kleinen Schaufel ein mindestens handtiefes Loch oder benutzen Sie eine vorhandene Mulde als Toilette. Decken Sie Ihr Geschäft grosszügig mit Erde und Steinen zu.
- Nehmen Sie das benutzte Papier und andere Hygieneartikel wieder mit und entsorgen Sie es im Tal. Benutzen Sie dazu ein Plastiksäcklein. Von der Alternative, das Papier an Ort zu verbrennen, ist besonders in Wäldern abzuraten, es droht Brandgefahr.