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Wanderreportagen ABO

König der Spaziergänger

Auf einen Blick: Herisau AR
30.05.2025 • Text und Bilder: Reto Wissmann
Dies war Robert Walsers letzte Aussicht – hier verstarb der Schriftsteller 1956.
In Walsers Fussstapfen nach St. Gallen
Herisau — St. Gallen, Bahnhof • AR

In Walsers Fussstapfen nach St. Gallen

«Spazieren muss ich unbedingt», schrieb Robert Walser vor über 100 Jahren in einem seiner bekanntesten Werke «Der Spaziergang». Der Schweizer Schriftsteller, der auch als «König der Spaziergänger» bekannt ist, war viel unterwegs. Vor allem während seiner vielen Jahre in der Heil- und Pflegeanstalt Herisau wanderte er unablässig durch die Appenzeller und St. Galler Hügel und Täler. «Ohne Spazieren wäre ich tot», so Walser in seiner Erzählung. Dank Walsers Förderer und Begleiter Carl Seelig sind viele seiner Spaziergänge – respektive Wanderungen – heute noch nachvollziehbar. Ein besonders schöner führt von Herisau über den Aussichtspunkt Solitüde bis nach St. Gallen. Vom Bahnhof Herisau folgt man dem Wegweiser in Richtung Sturzenegg und kommt zunächst am Friedhof vorbei, wo Walser begraben ist. Danach geht es hinunter zum Sportplatz und wieder hinauf zur Sturzenegg, wo ein schönes Landgasthaus zur Einkehr verleitet. Der Weg führt dann ins Tobel der Urnäsch und bis zu deren Mündung in die Sitter. Hier spannen sich ein imposantes Bahnviadukt und eine uralte Holzbrücke über die Gewässer. Etwas weiter Richtung Störgel folgt die eindrückliche Überquerung der 355 Meter langen und fast 100 Meter hohen Stahlfachwerkbrücke nach St. Gallen, Haggen. Nach dem Wohnquartier steigt der Weg dann zum Aussichtspunkt Solitüde an, wo sich ein Blick vom Bodensee bis zum Säntis bietet. Nun geht es hinunter ins Quartier Riethüsli und wieder hinauf zum Berneggwald und zum frisch renovierten Schloss und Restaurant Falkenburg. Mit der Mühleggbahn oder zu Fuss durch die Mülenenschlucht gelangt man schliesslich direkt in den Stiftsbezirk von St. Gallen, der wegen seiner berühmten Bibliothek, des Klosters und der Stiftskirche zum Unesco-Weltkulturerbe gehört. Danach ist es nicht mehr weit bis zum Bahnhof.

zum Wandervorschlag

«Spazieren muss ich unbedingt», schrieb Robert Walser vor über 100 Jahren. Was er in vielen Texten als Spazieren bezeichnet, würde man heute eher Wandern nennen. Stundenlang streifte der Schriftsteller durch Wiesen und Wälder, durch Dörfer und Städte. Der «König der Spaziergänger» ist auch als «Bummelgenie» bekannt. Dabei scheint er eher forsch unterwegs gewesen zu sein. Sein Förderer Carl Seelig erinnert sich an einen Moment auf einer Wanderung von Herisau nach St. Gallen, als sie zusammen auf dem Aussichtspunkt Solitüde standen: «Sehnsüchtig sperbre ich nach dem etwas unterhalb gelegenen Gasthof, von welchem Robert jedoch nichts wissen will. Es werde noch bis nach St. Gallen weitermarschiert.»

Walser gilt heute als einer der bedeutendsten Schweizer Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. Neben Romanen wie «Jakob von Gunten» oder «Der Gehülfe» schrieb er auch viele Kurzgeschichten. Zu Lebzeiten blieb ihm der grosse Durchbruch allerdings verwehrt. Von 1929 bis zu seinem Tod 1956 lebte er in Heil- und Pflegeanstalten – die meiste Zeit davon in Herisau.

Seinen Ruf als «König der Spaziergänger» festigte Robert Walser mit der Erzählung «Der Spaziergang». Später beschrieb sein Vormund Carl Seelig in einem Buch 45 Wanderungen, die er mit Walser unternommen hatte. Und in jüngster Vergangenheit wurden die schönsten Texte von Walser zum Gehen über Land – und in Gedanken – in der Anthologie «Spazieren muss ich unbedingt» versammelt. Zudem gibt es in Herisau den Robert-Walser-Pfad, der an wichtigen Lebensstationen des Schriftstellers vorbeiführt.

robertwalser.ch

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